Nachhaltigkeit und Corona
Durch die weltweite Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Eindämmungs-maßnahmen wie Lockdowns, ist die Wirtschaft zu einem historischen Stillstand gekommen. Auch die Modeindustrie bleibt nicht verschont. Was auf den ersten Blick nach einer Krise aussieht und sich auch so anfühlt, könnte jedoch die große Chance der Industrie sein, die längst überfälligen Versäumnisse in Bezug auf Nachhaltigkeit und den ökologischen Fußabdruck nachzuholen.
Auch wenn die Welt stillsteht, so tut es unser Verlangen nach Nachhaltigkeit und mehr ökologischer Gerechtigkeit keineswegs.
Unser grünes Gewissen hält immer mehr Einzug in unser alltägliches Leben und macht auch vor unserem Kleiderschrank keinen Halt mehr. Immer mehr Menschen erkennen die Dringlichkeit des Klimawandels und wollen aktiv dazu beitragen, um dessen Auswirkungen zu begrenzen. Vor allem die Verschmutzung der Umwelt wird von Verbrauchern als besonders kritisch angesehen. Deswegen greifen immer mehr Verbraucher zu Produkten, die entweder recycelt oder klimaneutral hergestellt und/oder verpackt worden sind. Man kann schon von einem regelrechten Trend sprechen. Dieser Trend setzt sich auch bei der Kaufentscheidung von Mode fort. Neben der Langlebigkeit und Qualität der Produkte wird die Nachhaltigkeit zu einem immer größeren Einfluss auf unsere Kaufentscheidung. Bei der jüngeren Generation sind vor allem Secondhand, Vintage und gebrauchte Kleidung beliebt. Aber auch nachhaltig produzierte Kleidung wird immer beliebter und hat seit dem Ausbruch von Corona einen regelrechten Boom erfahren.
Es wird mehr nachhaltige Mode gekauft.
Zalando hat den Anteil seiner Kunden, die bevorzugt nachhaltige Mode kaufen, seit Beginn der Pandemie mehr als verdoppeln können. Als Reaktion auf dieses Verhalten hat das Versandhaus dieses Sortiment umfassend erweitert. Die nachhaltige Mode ist bei Kunden im Alter von Mitte zwanzig bis Mitte dreißig besonders beliebt. Diese Gruppe kauft knapp 2,5-mal so häufig in dieser Kategorie ein als andere Altersgruppen.
Secondhand-Shopper geben jedoch auch an, dass der vergleichbar günstige Preis auch ausschlaggebend für den Kauf sei. Das dürfte aufgrund von Kurzarbeitsgehältern jedoch nur die wenigsten wundern. Durch die Entschleunigung der Wirtschaft und des Alltags denken Verbraucher nun auch zeitloser und zudem regionaler. Man wird sich bewusst, was man schon alles hat und verspürt weniger Verlangen nach Konsum. Auch durch die geltenden Reisebeschränkungen fallen saisonale Trends, wie z. B. Bademode, teilweise komplett weg.
Die Vogue hat in ihrer Januarausgabe 2020 komplett auf Fotoshootings und gedruckte Bilder verzichtet und das der Umwelt zuliebe. Stattdessen haben sie Künstler beauftragt, die neuen Kollektionen einfach zu malen. Somit konnte auf Reisen und das Verschicken von Kleidung komplett verzichtet werden. Diese CO2-freundliche Variante des Modejournalismus ist selbst für die Vogue eine Premiere. Der Chefredakteur Emanuel Farneti gab an, dass es noch nie zuvor eine Vogue ohne Fotografien gegeben hätte. Selbst ein illustriertes Cover habe es zuvor nicht gegeben. Blättert man in dieser Ausgabe, so sieht man Zeichnungen von Seidenkleidern und gestreiften Baumwolloberteilen von Luxusmarken wie z. B. Gucci. Man muss wirklich zugeben, dass das Konzept trotz des Mangels an Details und Schärfe unglaublich gut aufgeht und die Kollektionen sehr gut zur Schau stellt.
Der Onlinehandel brummt.
Der Onlinehändler NET-A-PORTER hat seine nachhaltige Unterplattform NET SUSTAIN um Schönheitsprodukte erweitert. Durch die Gliederung in acht Unterkategorien soll der Kunde schnell und einfach Produkte finden, die verantwortlich hergestellt wurden. Bei seinem Angebot setzt der Onlineshop sowohl auf Lokalität als auch auf Fairtrade. Auch die Verpackung der Produkte spielt eine große Rolle. Hierbei wird streng auf nachhaltige Industriestandards und Gütesiegel geachtet. Die Beauty-Direktorin der Seite versicherte, dass jedes einzelne Produkt überprüft wurde.
Wo manche High–Fashion-Labels noch planen, sind andere Unternehmen schon einen Schritt weiter. Das Stichwort der Stunde ist Circular Fashion. Gemeint ist ein geschlossenes System, welches durch die maximale Verwendung aller Ressourcen mehr Nachhaltigkeit ermöglichen soll. Das Prinzip lässt sich in drei Schritte unterteilen:
Der erste beginnt mit dem eigentlichen Designprozess, da dieser den größten Einfluss auf die Umwelt hat. Je besser ein Produkt geplant und konzipiert wird, desto weniger Abfälle werden bei der eigentlichen Produktion anfallen. Es entsteht also weniger Müll, der die Umwelt belasten könnte. Um das Maximum aus den Ressourcen zu holen, wäre es sinnvoll, sowohl Mitarbeiter als auch Zulieferer zu schulen.
Der zweite Schritt bezieht sich auf das Verwenden von recycelten und gebrauchten Materialien, um so neue Ressourcen zu vermeiden. Dies kann zum Beispiel durch eine sogenannte Reverse Logistik gewährleistet werden. Dabei fördert die Marke die Rücknahme von leeren Verpackungen oder auch gebrauchten Produkten, um sie zu recyceln und in der Herstellung von neuen Produkten zu verwenden. Der logistische Aufwand könnte durch Abgabestationen in Stores oder auch an separaten Locations minimiert werden. Jedoch muss man als Verbraucher aufpassen, denn dieses Konzept kann für Greenwashing missbraucht werden, so wir in der Vergangenheit durch Fast-Fashion-Labels geschehen. Diese Marken werfen die gesammelten Produkte einfach weg, anstatt sie zu recyceln.
Der dritte und letzte Schritt bezieht sich auf die Partizipation des Kunden in den Prozess der Nachhaltigkeit. Das Recyceln und Wiederverwenden von Verpackungen und gebrauchten Produkten ist hierbei der erste Schritt.
Wenn man dem Kunden die Möglichkeit gibt, sich an konkreten Prozessen, die Nachhaltigkeit fördern, zu beteiligen, so kreiert man einen Synergieeffekt, von dem beide Seiten profitieren. Als Beispiel dient ein Café, welches wiederverwendbare Becher bei einem To-Go-Kauf anbietet. Der Kunde bekommt ein gutes Gefühl, wenn er den Becher zurückbringt und der Verkäufer wird gleichzeitig als jemand mit einem hohen ökologischen Verantwortungsbewusstsein wahrgenommen.
Die Coronakrise bietet jedoch noch andere Möglichkeiten, sein Ansehen in der Wahrnehmung des Kunden zu verbessern. Firmen, die zum Beispiel ihre Geschäftsräume für die Produktion von Masken und Hygieneartikeln bereitgestellt oder auch ihre Mitarbeiter weiterhin bezahlt haben, werden von Kunden als besonders positiv wahrgenommen. Das regt das Kaufverhalten bestehender Kunden an und kann zudem auch neue Kunden generieren. Dieses Prinzip lässt sich auch auf die Nachhaltigkeit übertragen, die neben der Qualität und der Haltbarkeit des Produkts als wichtigstes Kaufkriterium empfunden wird. Das liegt wohl an dem engen Kontakt zwischen Körper und Kleidung. Neben der Fairness kann zudem noch ein hohes Level an Transparenz für eine engere Bindung zwischen Kunden und Unternehmen führen.
Alle machen mit!
Auch die Berliner Politik hat das Problem von unserem Modekonsum erkannt und möchte nun handeln. Die Berliner Fashion Week genießt zwar nicht dasselbe Ansehen wie Veranstaltungen in Paris oder Mailand, jedoch ist sie für viele ein Underdog, wenn es um Innovation und Nachhaltigkeit geht. Deutschlandweit gibt es rund 3.100 Unternehmen, die sich mit Mode beschäftigen. Diese sind meistens kleine Labels, die nur aus wenigen Mitarbeitern bestehen. Viele dieser Unternehmen beschäftigen sich mit nachhaltigen Konzepten, wie das Re-und Upcycling. Aber auch Innovation und technologischer Fortschritt in Bezug auf Textilen werden von vielen deutschen Modeunternehmen gefördert. Genau diesen Labels möchte der Berliner Senat mit dem sogenannten Fashion Hub sowohl eine Bühne als auch Unterstützung bieten. Das Budget beläuft sich hierbei auf insgesamt 600.000 €.
Im Gegensatz zu der eigentlichen Fashion Week, bei der es schon Shows und Konzepte für mehr Nachhaltigkeit gibt, soll der Fashion Hub eine ganzjährige Anlaufstelle für die Labels bieten. Unternehmen sollen bei Themen wie z. B. Digitalisierung fachmännisch unterstützt und mit Prämien gelockt werden. Der Fashion Hub soll der deutschen Mode im Allgemeinen, aber vor allem dem Standort Berlin zu einem internationalen Ansehen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Innovation verhelfen.
Der Berliner Senat hat jedoch auch nachhaltige Projekte außerhalb des Fashion Hubs geplant. Durch das sogenannte „Re-Use“ soll das Sammeln und Wiederverwerten von Klamotten systematisiert und ausgebaut werde. Dieses Projekt soll auf der kommenden Fashion Week genauer vorgestellt werden.
Zusammenfassend lässt sich ein deutlicher Umschwung in der Modeindustrie erkennen. Unternehmen erkennen die Dringlichkeit des Klimawandels und sind bereit, sich diesem mit neuen und nachhaltigen Konzepten zu stellen. Die Entschleunigung der Wirtschaft hat Unternehmen die Zeit und Möglichkeit gegeben, Prozesse umzuplanen und sich neu aufzustellen. Ein positiver Lichtblick in einer grauen Zeit.
von L. Morawietz
Habt ein wundervolles Leben und gönnt es auch den anderen.
Paßt auf unsere Erde auf